Höchstleistung in einer Organisation bedeutet, dass diese in einem von Wettbewerb geprägten Marktumfeld eine Leistung erzielt, die das Leistungsniveau der relevanten Mitbewerber in Bezug auf alle Elemente der Marktperformance übertrifft.
Daraus folgt zweierlei:
Aus der Innenperspektive der Organisation stellt sich die Frage der Definition unter einem anderen Aspekt, der den Fokus auf die Komplexität der Organisation – Strukturen, Prozesse, Strategien, Kultur im historischen Verlauf – und die konkreten Realisierungsmöglichkeiten von Höchstleistung richtet. Die bisherigen Untersuchungen zu den Bedingungsfaktoren von Höchstleistung weisen darauf hin, dass eine entsprechende Leistungskultur in großen Organisationen selten gleichmäßig verteilt und „flächendeckend“ verankert ist. In der Regel existieren in der Landschaft der Organisation Teams und Organisationsbereiche, die eine Protagonistenrolle spielen und durch ihren Erfolg eine attrahierende Wirkung auf die Gesamtorganisation ausüben. Eine – systemisch angelegte – Intervention, die einen Veränderungsprozess in einem Teilbereich des Gesamtsystems initiiert, kann deshalb durchaus sinnvoll sein, wenn die Eingebundenheit in das Gesamtsystem und die Auswirkungen auf andere Subsysteme berücksichtigt werden. Die Strategie des Wandels setzt dann darauf, dass erfolgreiches Change Management „ansteckend“ ist.
Höchstleistungsorganisationen sind komplexe Systeme. Ihre (Markt-) Umwelt zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
Die Entwicklung von Höchstleistungsorganisationen beinhaltet keinen radikalen Wandel im Sinne einer völligen Umorientierung aller sozialen Handlungsmuster. Sie baut auf den Kooperationsformen und der Führungskultur auf, die in den Arbeitsorganisationen des Wirtschaftssystems – zumindest im Kern – schon angelegt sind. Die Entwicklung von Höchstleistung in Organisationssystemen sollte das fördern, was im Bewusstsein der meisten Organisationsmitglieder als effektiv im Sinne der gemeinsamen Ziele einer Organisation angesehen wird: Den Austausch von Wissen unter den Akteuren eines Prozesses zur Lösung aktueller Probleme über die Grenzen des jeweils eigenen Zuständigkeitsbereichs hinweg.
Teamkohäsion, Solidarität und gegenseitige Hilfe sind im Alltag von Teams in Arbeitsbasierten Systemen kulturell verankert. Ebenso die Freude an der eigenen Leistung und der Wunsch nach Anerkennung und gegenseitigem Respekt. Diese vorhandenen Treiber einer entsprechenden Organisationsentwicklung können zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und insbesondere der Optimierung des kollaborativen Handelns und Lernens von Organisationen oder Organisationsbereichen genutzt werden. Ziel muss eine ständige, kontinuierliche Verbesserung der Qualität der kooperativen Leistungserbringung sein.
Im Rahmen einer solchen systemischen, auf die Ressourcen orientierten Perspektive macht ein Appell an Führungskräfte und Mitarbeiter zur Änderung ihrer Haltung und ihres Verhaltens nicht nur wenig Sinn, sie ist geradezu kontraproduktiv. Unser Ansatz basiert auf der Einsicht, dass die Menschen in Arbeitsbasierten Systemen ein grundsätzlich positives Verhältnis zur Optimierung von Leistung und zur Leistungsorientierten Kooperation haben. Es sind – zunächst und in erster Linie – nicht die Individuen, die die Leistungssteigerung der Organisation verhindern, sondern die Barrieren im System der Organisation, die die Individuen daran hindern, ihr Leistungspotenzial zu entfalten.
Wenn wir also von Radikalität des Wandels im Zusammenhang mit Höchstleistung sprechen, meinen wir einen Wandel der Einstellung und einen Culture Change, dessen wesentlicher Inhalt der positive Blick auf die Ressourcen des Systems Unternehmen und der in ihm arbeitenden Menschen ist.
Mit dieser Sichtweise kommen wir zu veränderten Perspektiven und Fragestellungen:
Nicht: Wie können wir die Menschen im System verändern, damit sie endlich einsehen, wie notwendig eine Veränderung oder wie sinnvoll eine veränderte Haltung zur Arbeit ist.
Sondern: Was müssen wir, die Organisation und ihre Führungskräfte, tun, damit die Menschen in der Organisation ihr kooperatives Handeln auf Höchstleistung orientieren können?
Die Beantwortung dieser Frage kann nicht anders als im Dialog über den spezifischen Weg einer Organisation zur Höchstleistung im Wettbewerb geliefert werden. Organisationen, die den Mut haben, diesen Dialog zu führen, sind auf dem besten Weg, zur Höchstleistungsorganisation zu werden. An dieser Stelle nehmen wir ein Fazit schon vorweg: Für eine Höchstleistungskultur braucht eine Organisation Führungskräfte, die begriffen haben, dass ihre erste Aufgabe darin besteht, Potenziale von Mitarbeitern zu entfalten und Blockaden zu beseitigen.
Ohne Zweifel gibt es Ernst zu nehmende Einwände gegenüber einer solchen Sichtweise. Im Folgenden gehen wir auf zwei derselben ein:
Mag sein. Wenn es solche Personen gibt, dann bilden sie im Regelfall eine Minderheit. Würden sie eine Mehrheit bilden, müsste man die Verantwortlichen fragen, nach welchen Kriterien in der Organisation Rekrutierung und Personalentwicklung in der Vergangenheit betrieben worden sind. Wenn wir die Entwicklung zur Höchstleistungsorganisation als dynamischen Prozess betrachten, können wir zwei Aussagen zu diesem Thema machen: Erstens kann die Frage, ob und wer ein destruktives Leistungsverhalten hat, nur im Rahmen des oben beschriebenen Dialogs verifiziert werden. Dann kann man die entsprechenden Schlussfolgerungen auf der „personalpolitischen“ Ebene ziehen. Zweitens zeigen unsere bisherigen Erfahrungen, dass ein beachtlicher Teil derjenigen, die auf den ersten Blick als Blockierer gesehen werden, im Verlauf eines auf Dialog orientierten Prozesses ihre Haltung verändern, bzw. durch „Konformitätsdruck“ zur Integration in ein Konzept der Organisationsentwicklung bewegt werden. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen zu Höchstleistungsorganisationen zeigen: Die Gruppendynamik Leistungsorientierter Teams macht es einzelnen Blockierern schwer, Einfluss auf den Prozess zu nehmen. Eher ist es umgekehrt so, dass sie von Engagement und konstruktivem Verhalten der Mehrheit des Teams „mitgerissen“ werden.
Ohne Zweifel spielen beide Faktoren eine wichtige Rolle. Der Ansatz der Höchstleistungsorganisation zielt vor allem auf den Faktor Kultur. Insofern könnte man von einer Verengung des Blickwinkels sprechen. Wenn man den Begriff der Kultur allerdings weit fasst und ihn auf die Qualität von Kooperation und Führung, in der Tiefenstruktur der Organisation auf die gemeinsam geteilten Wertvorstellungen und Glaubenssätze bezieht, wird deutlich, dass eine solchermaßen definierte Organisationskultur in ständiger Wechselwirkung mit allen relevanten Merkmalen, die die Leistung der Organisation bestimmen, steht. Natürlich verhilft eine technologische Innovation einem Unternehmen in seinem Markt zu einem Wettbewerbsvorteil. Technologischer Vorsprung zeichnet sich allerdings durch eine relativ geringe Halbwertzeit aus. Nur die Technik oder nur die Verbesserung des Prozessmanagements verschaffen allenfalls einen kurzfristigen Vorteil in einem globalen Wettbewerbsszenario, dass unter anderem durch die Transparenz der Binnenstrukturen von Organisationen und die relativ schnelle Kopierbarkeit von Prozessen und Strukturen charakterisiert ist. Wenn wir eine nachhaltige, die Leistung auch in veränderten Marktsituationen auf hohem Niveau realisierende Organisationsentwicklung anstreben, wird die Organisationskultur zu einem Schlüsselfaktor. Unser Ansatz bezieht sich deshalb auf diesen Schlüsselfaktor, ohne den ganzheitlichen Aspekt der Leistungserbringung zu ignorieren. Wir wissen sehr wohl, dass die Kultur nicht nur ein Treiber und Stabilisator für innovatives Handeln und Leistungsorientierung, sondern in gewisser Weise auch der „Schatten der Verhältnisse“ ist. Es kann keine Höchstleistungskultur mit desolaten Rahmenbedingungen in den Bereichen Prozessmanagement und IT – Architektur geben. Alle relevanten Faktoren entwickeln sich in einer Wechselbeziehung und dieses dialektische Verhältnis muss beachtet werden, wenn Organisationen über ihre Kultur nachdenken.
Trotz vielfältiger Restriktionen einer komplexen und dynamischen Umwelt und oftmals personeller Engpässe gelingt es einigen Organisationen und Teams, auch in einem durch die Aneinanderreihung kritischer Situationen geprägten Arbeitsfeld flexibel und situationsgerecht zu handeln. Sie sind es, die Erfolg haben und dem Wettbewerb mit entsprechender Gelassenheit begegnen können. Was macht den Unterschied? Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Und vor allem: Gibt es bestimmte Handlungsmuster, die auf andere Organisationen übertragbar sind?
Einige wichtige Erfolgsfaktoren sind:
In allen Höchstleistungsorganisationen (HLO) herrscht bei den Akteuren eine hohe Zielklarheit verbunden mit dem unbedingten Willen, gemeinsame Ziele gemeinsam durchzusetzen. Dies führt einerseits zu einer klaren Orientierung, andererseits werden Reibereien und Konflikte, die zu Blockaden und Lähmungen führen, vermieden. Zielklarheit bedeutet keineswegs kurzfristiges und durch operative Hektik begleitetes „Hinterherhecheln“ nach einem Zahlenkonstrukt. Die Zielklarheit basiert vielmehr auf dem grundsätzlichen Bedürfnis, in der Sache Erfolg zu haben – die Motivation ist also intrinsisch. Dieser gemeinsame Wille zum Erfolg ermöglicht es Höchstleistungsteams, ihre Ziele entsprechend veränderten Bedingungen anzupassen und sich auf Veränderungen schneller als konventionell gesteuerte Teams einzustellen. Menschen in Höchstleistungsteams haben eine Geisteshaltung, die man als Achtsamkeit bezeichnen kann. Jeder Einzelne macht sich in seinem Aufgabenfeld Gedanken darüber, wie mit einer neuen unvorhersehbaren Situation umgegangen werden muss. HLOs sind keine Objekte von Veränderung, sondern sie antizipieren und gestalten sie entsprechend ihren Möglichkeiten.
Achtsamkeit und Wahrnehmungskompetenz, Aufmerksamkeit für mögliche Fehler entstehen natürlich in erster Linie durch Erfahrung. Sie können aber auch im Team systematisch trainiert werden, indem kritische Ereignisse antizipiert und als konkrete Fallbeispiele bearbeitet werden. Zu diesem Zweck werden spezifische Methoden der Simulation eingesetzt. HLOs sind echte lernende Organisationen, denn sie nutzen jede von der Norm abweichende Situation, um den besten Weg des Handelns zu gehen. Dadurch entwickeln sie gemeinsame mentale Modelle, die für erfolgreiche Bewältigung zukünftiger kritischer Situationen notwendig sind.
Darüber hinaus besitzen HLOs eine hohe Fähigkeit zu Reflexion und Feedback. Einsätze und größere Handlungseinheiten werden in einer Einsatzbesprechung thematisiert und als Lessons learned in das Handlungsrepertoire integriert. Sie stützen sich dabei auf die bewährte Methode des After Action Review. Ein weiterer Faktor für die Funktionsfähigkeit von HLOs ist ein ganzheitliches Rollenkonzept, das auf Grund sich überschneidender Kompetenzen aber flexibel an wechselnde Situationen angepasst werden kann. Die Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitglieder sind nicht arbeitsteilig abgegrenzt, sondern bauen auf Basiskompetenzen auf, die es ermöglichen, dass Mitarbeiter schnell und zuverlässig in der Lage sind, den Arbeitsbereich eines anderen zu übernehmen.
Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. [Antoine de Saint Exupery]
Anforderungsprofile von Führung müssen sich mit den Rahmenbedingungen, insbesondere den durch den Führungsprozess beeinflussbaren Variablen von Höchstleistung befassen und die Führungspraxis entsprechend ausrichten. Neben dem klassischen Kanon an Kompetenzen spielen folgende Faktoren eine bedeutende Rolle: